Nebeneinkünfte von Abgeordneten des deutschen Bundestages in der 20. Legislatur

Nebeneinkünfte.. ja, nein, vielleicht?

Ende Februar 2024 habe ich die Website des deutschen Bundestages nach veröffentlichungspflichtigen Angaben der Abgeordnetïnnen durchforstet. Schnell ist mir aufgefallen, dass der größere Teil der Abgeordnetïnnen keine bzw. nur geringe Nebeneinkünfte hat und andere Nebeneinkommen haben, die es in sich haben. Es gibt Delegierte, die ihre Angaben nicht vollständig offenlegen, sie zum Beispiel mehr als 50 Mandantïnnen als Rechtsanwältïn betreuteten, aber die Höhe des monetären Ausgleichs für diese Arbeit nicht angaben. Und wieder andere Abgeordnete machen, wenig glaubhaft, gar keine Angaben, obwohl sie seit Beginn der 20. Legislatur dabei waren.

Grafik Verteilung der Nebeneinkünfte der Abgeordneten • CC-BYSA • exiltoaster.wordpress.com

Insgesamt gab es 415 Delegiertïnnen seit Beginn der 20. Legislatur im dt. Bundestag, welche keine Nebeneinkommen hatten. Die meisten davon gehören zur Fraktion der SPD (133 Abgeordnete). Gefolgt von Die Grünen mit 82 Abgeordnetïnnen und CDU mit 68 Abgeordnetïnnen. Abgeordnete mit angegebenen Nebeneinkünften gab es insgesamt 317. Davon waren 88 CDU Mitglieder, 83 von der SPD und 54 aus der FDP.

Unvollständige Angaben gab es bei insgesamt 98 Parlamentarierïnnen. Darunter waren 31 Delegierten die gar keine veröffentlichungspflichtige Angaben gemacht haben. Der Großteil dieser Delegiertïnnen komplett ohne Angaben, 19 Abgeordnete, kam aus der Fraktion der AfD. In den anderen Fraktionen oder Gruppen war die Anzahl recht gleich im unteren einstelligen Bereich verteilt. Bei der CSU gab es, als einzige Partei oder Gruppe, keine Parlamentarierïn, bei welcher die veröffentlichungspflichtigen Angaben komplett fehlten. Bei Abgeordnetïnnen völlig ohne Angaben sind Parlamentarierïnnen, die neu im Bundestag sind und daher noch keine Angaben veröffentlicht haben müssen, nicht mitgezählt worden.

Teilweise unvollständige Angaben gab es bei insgesamt 67 Delegiertïnnen. Am meisten bei der CDU, 18 Parlamentarierïnnen mit teilweise fehlenden Angaben. Gefolgt der AfD, mit 15 Abgeordnetïnnen, danach kommt die FDP mit 13 Mitgliedern.

Säulendiagramm, in der die Verteilung der Nebeneinkünfte der Abgeordneten anteilig zur Größe der Fraktion bzw. Gruppe dargestellt ist. Anteilig zur Fraktionsgröße hatten 55,7 % der AfD Abgeordneten kein Nebeneinkommen, 20,3 % hatten Nebeneinkommen angegeben & 43,0 % haben dazu unvollständige Angaben gemacht. Bei Abgeordneten des Bündnis Sarah Wagenknecht gaben 40 % kein Nebeneinkommen an. 40 % gaben eins an & 20 hatten unvollständige Angaben dazu. Bei der CDU gaben 43,3 % der Abgeordneten Nebeneinkommen an, 56,1 % gaben keins an und 12,1 % machten unvollständige Angaben. Bei CSU hatten 40 % kein Nebeneinkommen, 60 % hatten welches und 13,3 % hatten unvollständige Angaben. Bei Die Grünen hatten 67,2 % kein Nebeneinkommen, 30,3 % gaben welches an und 6,6 % hatten unvollständige Angaben. Bei Die Linke hatten 73,3 % kein Nebeneinkommen, 23,3 % hatten welches und 3,3 % hatten unvollständige Angaben. Bei der FDP hatten 41,7 % kein Nebeneinkommen, 56,3 % hatten welches und 15,6 % hatten unvollständige Angaben. Fraktionslose hatten zu 66,7 % keine Nebeneinkommen, 16,7 % hatten welches und 33,3 % machten unvollständige Angaben und bei der SPD hatten 61 % keine Angaben zu Nebeneinkommen gemacht, 38,1 % hatten welche und 5 % hatten unvollständige Angaben gemacht. Die Parteizuordnungen wurden nach aktueller Parteizugehörigkeit vorgenommen. Quelle der Rohdaten ist die Website Bundestag Punkt de slash Abgeordnete.
Grafik Verteilung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten Anteil zur Größe der Fraktion oder Gruppe • CC-BYSA • exiltoaster.wordpress.com

Wenn man die Verteilung, ob Nebeneinkünfte bezogen wurden oder ob nicht, anteilig zur Größe der jeweiligen Fraktion oder Gruppe anschaut. Ist zu erkennen, dass Abgeordnete der Die Linke im Verhältnis mit 73,3 % den größten Anteil von Abgeordneten ohne angegebene Nebeneinkünfte stellen, gefolgt von Die Grünen mit 67,2 % und den Fraktionslosen mit 66,7 %. Die anteilig Meisten Abgeordnetïnnen mit Nebeneinkünften findet man bei der CSU (60 % der Abgeordnetïnnen), der FDP (56,3 %) und CDU (56,1 %). Beim Anteil der Parlamentarierïnnen, welche ganz oder teilweise keine Angaben zu Nebeneinkünften gemacht haben, sticht klar die AfD mit 43 % hervor, sowie die fraktionslosen Abgeordnetïnnen mit 33,3 %. Wenn man bedenkt, das Fraktionslose zu 85,7 % aus ehemaligen AfD Mitgliedern bestehen, darf man die Frage stellen, wie ernst die AfD die Veröffentlichungspflicht zu Nebentätigkeiten nimmt bzw. genommen hat.

Die monetäre Höhe von Nebentätigkeiten

Die 317 Parlamentarierïnnen, welche in der 20. Legislatur bis Februar 2024 veröffentlichungspflichtige Nebentätigkeiten angaben, haben insgesamt 32.742.510,81 € nebenbei bekommen.

Der allergrößte Teil davon sind Bruttoeinkünfte, immer mal sind die Nebeneinkommen als Gewinnausschüttungen von Aktienbesitz oder Unternehmensteilhabe bezeichnet. Sehr selten sind Nebeneinkünften als Gewinn zB einer Frima deklariert, wo unklar ist ob ggf. Kosten gegengerechnet werden müssten um die wirklichen Nebeneinkünfte zu erfahren. Noch seltener sind die Nebeneinkünfte als Preisgeld bezeichnet (wie zum Beispiel bei Cem Özdemir dessen einzige angegebene Nebeneinkunft ein auf 10.000 € dosiertes Preisgeld des Leo-Baerck-Preises 2022 war). Meistens müsste man also die Steuer von den Einkommen abziehen. (Da ich die steuerrelevanten Lebenssituationen der Abgeordnetïnnen nicht kenne, kann ich das hier nicht machen.)

Die größte Summe der Nebeneinkünfte der Abgeordnetïnnen findet man bei den Parteien CSU, mit 9.290.950 € & CDU 7.940.716 €. Zusammen hatten Unionsabgeordnetïnnen bisher 17,2 Mio Euro an Nebeneinkünften. Das bedeutet, dass Unionsabgeordnetïnnen mehr als die Hälfte aller Nebeneinkünfte aller Parlamentarierïnnen des dt. Bundestages in der 20. Legislatur bekamen, obwohl sie nur 27 % der Abgeordnetïnnen stellen.

Bei einer fiktiven pro Sitz Betrachtung fällt deutlich auf, dass die CSU pro Sitz Nebeneinkünfte von 206.466 € hätte. Der Durchschnitt der Nebeneinkünfte aller Abgeordnetïnnen des dt. Bundestages läge bei 44.548 €. Ebenfalls deutlich darüber lägen fraktionslose Abgeordnete (107.750 €), die Abgeordnetïnnen, welche heute im Bündnis Wagenknecht BSW sind (94.605 € pro Sitz), Parlamentarierïnnen der FDP mit fiktiven 55.772 € pro Sitz und Mitglieder der CDU (52.588 €).

Nur mal zur Einordnung das Durchschnittsgehalt aller Beschäftigten in Deutschland lag im Jahr 2023 bei 48.538 €. Abgeordnete bekommen im Jahr 123.879,48 €. (Zusätzlich bekommen Abgeordnete Leistungen für Dienstwagen, Arbeitsweg, Amtsausstattung, Zuschüssen im Krankheitsfall, etc.) Die Nebeneinkünfte kommen zu diesem Geld noch on Top. Ich möchte damit keine sogenannte Neiddebatte hervorkramen, sonder die Relation aufzeigen. Eine Abgeordnete, ein Abgeordneter braucht keine Nebeneinkünfte. Er oder sie ist mehr als ausreichend abgesichert.

Top 15

Um so verwunderlicher sind Parlamentarierïnnen, wie zB Sebastian Brehm von der CSU, der laut seinen veröffentlichungspflichtigen Angaben, neben seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter seit Beginn der 20. Legislatur bis Februar 2024 insgesamt 671 Mandantïnnen als Steuerberater betreute. Ich stelle mir hier die Frage, ob der Mann sein Bundestagsmandat neben seinen intensiven Nebentätigkeiten überhaupt ernstnehmen kann. Sebastian Brehm hatte für die Betreuung von 671 Mandantïnnen ein Nebeneinkommen in der Höhe von 5.458.028 €. Eine Summe die man nicht eben mal so nebenbei bekommt…

Grafik Abgeordnete mit Nebeneinkünfte über 500.000 € • CC-BYSA • exiltoaster.wordpress.com

Weitere Parlamentarierïnnen mit angegebenen Nebeneinkünften über 500.000 €:

  • Engelhard, Alexander, CSU: 2.077.864 € Ist Inhaber einer Mühle, bezieht deswegen das Einkommen.
  • Nick, Ophelia, Die Grünen: 1.740.164 € zum Großteil besteht dieser Betrag aus Gewinnausschüttungen von einem Unternehmen
  • Heilmann, Thomas, CDU: 1.246.504 € das gesamte Nebeneinkommen besteht aus Gewinnausschüttungen verschiedener Kapital- oder Personengesellschaften
  • Güntzler, Fritz, CDU: 1.153.431 € hat jeden Monat regelmäßig höhere Nebeneinkünfte als meine gesamte Familie! Zum Großteil sein Nebeneinkommen aus Gewinnausschüttungen 2 verschiedener Steuerberatungsgesellschaften und Wirtschaftsprüfunternehmen für die er tätig ist und dort in der 20. Legislatur bis 2023 85 Mandantïnnen betreute, außerdem hat er veröffentlichungspflichige Angaben zu weiteren entgeltlichen Funktionen in Unternehmen (zB Aufsichtsrat) und öffentlichen Körperschaften (Mitglied des Kreistages, Verwaltungsratmitglied in Sparkasse, Präsident der Steuerberaterkammer, etc.) Auch hier stelle ich mir die Frage wie ein so vielbeschäftigter Mann nebenbei noch ein Bundestagsmandat ausüben kann.
  • Cronenberg, Carl-Julius, FDP: 1.055.487 € Gewinnausschüttungen durch Beteiligungen an verschiedenen Kapital- oder Personengesellschaften, sowie Einkommen als Geschäftsführer
  • Baradari, Nezahat, SPD: 1.023.565 € anscheinend bezieht sie ein Nebeneinkommen als Fachärztin in einer Kinder- und Jugendarztpraxis
  • Herbrand, Markus, FDP: 805.438 € bezieht Einkommen als Steuerberater (89 Mandantïnnen 2021 bis 2023), sowie kleinere Gewinnausschüttung eines Unternehmens
  • Sara Wagenknecht, BSW: 800.985 € zum großen Teil besteht ihr Nebeneinkommen aus publizistischer Tätigkeit, dazukommen weit monetär geringer, dafür recht viele Einkommen aus Vortragstätigkeiten
  • Monstadt, Dietrich, CDU: 725.000 € Beteiligung an Rechtsanwaltskanzlei, wo er anscheinend 32 Mandantïnnen betreute.
  • Komnig, Enrico, AfD: 721.860 € Laut seinen Veröffentlichungspflichtigen Angaben bezieht er das Einkommen, weil er 174 Mandantïnnen als Rechtsanwalt betreute.
  • Fahrle, Robert, fraktionslos: 646.500 € Bezieht das Einkommen, weil er in verschiedenen Wirtschaftsprüf- & Steuerberatungsfirmen tätig ist.
  • Gutting, Olav, CDU: 626.885 € 34 Mandantïnnen als Rechtsanwalt betreut, sowie Einkommen durch Ausübung von Funktionen in Unternehmen (zB Aufsichtsrat)
  • Skudelny, Judith, FDP: 563.234 € Nebeneinkommen als Rechtsanwältin und Insolvenzverwalterin
  • Loos, Bernhard, CSU: 529.368 € Ist als ehrenamtlicher Geschäftsführer einer gemeinnützigen Schule der Erwachsenenbildung tätig, bezieht aber nicht unerhebliche Einkommen, welches durch gewerbliche Vermietung des Grundstückes genau an diese Schule entstehen

Viele Abgeordnete machen anscheinend nur ihre Aufgaben als Parlamentarierïn, einige haben eine oder wenige Nebentätigkeiten teils von Amts wegen in Stiftungen, Vereinen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts. Einige Abgeordnete sind nebenher auf Kreis- oder Kommunalebene tätig. Und manche eben in Unternehmen. Okay, die Lebenswelt von Menschen ist nun mal divers. Egal, ob vor einem Amt oder klar auch währenddessen. Manche Tätigkeiten kann man möglicherweise auch nicht einfach für die Dauer eines übernommenen Amtes stilllegen (obwohl es auch einige Abgeordnete gibt die genau das angegeben haben). Bei Vielen hat das Ausmaß der Nebentätigkeiten ein augenscheinlich akzeptables Verhältnis für eine gewählte Vertreterïn des Volkes. Aber es gibt auch Parlamentarierïnnen, wo man sich fragen kann, wie die das schaffen in so vielen Gremien tätig zu sein oder so viele Mandantïnnen nebenher zu betreuen oder unabhängig zu sein, in Anbetracht der Höhe ihrer Nebentätigkeiten. Ebenso darf man sich fragen, ob wirklich alle Abgeordnetïnnen reelle Angaben mit korrekter Bezifferung der Höhe zu allen Tätigkeiten gemacht haben. Eine Abgeordnetïn, welche mehr als 50 Mandantïnnen als Rechtsanwaltïn regelmäßig betreut, dafür aber keinen monetären Ausgleich erhält, wirkt nicht gerade glaubhaft.

P.s. einige Abgeordnete habe ich per Email konfrontiert, gebeten sich, besserer Transparenz wegen, um ein Verständnis haben zu können, zu erklären. Die Anzahl der Antworten war überwältigend: Null… Niemand hat geantwortet.

[Hinweis: in der ersten Version hatte sich bedauerlicherweise ein Berechnungsfehler eingeschlichen. Dies wurde am 16. April 2024 um 18:20 korrigiert.]

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